Praxiswissen

Strafschärfung durch «Harmonisierung» der Strafrahmen

Eveline Gloor – Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Strafrecht

Der Besondere Teil des Strafgesetzbuches soll revidiert und dadurch eine angemessene Sanktionierung von Straftaten ermöglicht werden. Die entsprechende Botschaft wurde durch den Bundesrat im April verabschiedet. Im erläuternden Bericht zum Bundesgesetz über die Harmonisierung der Strafrahmen im Strafgesetzbuch, im Militärstrafgesetz und im Nebenstrafrecht heisst es, das Strafrecht verliere zunehmend an Glaubwürdigkeit und somit an präventiver Wirkung. Mit der Harmonisierung der Strafrahmen solle ein Beitrag zur Stärkung des Strafrechts bzw. zur Prävention von Kriminalität geleistet werden. Vorgeschoben wird eine zunehmende Verunsicherung der Bevölkerung. Dass die Kriminalität in den letzten Jahren abgenommen hat und dass das subjektive Sicherheitsgefühl nichts mit der tatsächlichen Kriminalitätsrate zu tun hat, interessiert dabei nicht.

Die kriminologische Forschung zeigt seit langem auf, dass durch härtere Strafen bzw. höhere Strafandrohungen die Kriminalitätsrate nicht sinkt. Beides hat keine abschreckende Wirkung. Denn nicht die Härte der angedrohten Sanktion, sondern vielmehr die Verfolgungswahrscheinlichkeit hat Einfluss auf potenzielle Täter. Hinzu kommt, dass der Durchschnittsmensch nicht weiss, für welches Delikt welche Strafe angedroht ist. Die immer wieder erhoffte Abschreckung und somit Prävention zukünftiger Straftaten durch harte Strafen funktioniert also nicht. Strafrecht bleibt eine Reaktion auf ein stattgefundenes Handeln. Die Prävention ist grundsätzlich Aufgabe des Polizeirechts.

Die vorgeschlagenen Anpassungen werden vom Bundesrat mit einer Veränderung der gesellschaftlichen Werte begründet. So oft, wie in den letzten Jahren Anpassungen des Strafgesetzbuches vorgenommen worden sind, ändern sich diese Werte aber kaum. Die wiederkehrenden Neuerungen und Änderungen im Strafrecht verhindern eine dringend notwendige Festigung der Rechtsprechung. Durch die ständigen Teilrevisionen des Strafgesetzbuches wird nicht nur das Vertrauen ins Strafrecht erschüttert, sondern es wird auch die Rechtssicherheit mit Füssen getreten. Den Gerichten wird ein Misstrauen entgegengebracht, das nicht gerechtfertigt ist. Das richterliche Ermessen wird durch das Erhöhen oder Einführen von Mindeststrafen sowie durch das Ersetzen von Kann-Vorschriften durch Muss-Vorschriften massgeblich eingeschränkt, obwohl das Ermessen des Gerichts im Schuldstrafrecht eine zentrale Rolle spielt. Es wird Zeit, dass das Strafrecht wieder vom populistischen Zwang und dem Schrei nach absoluter Sicherheit befreit wird. Die Gesetzgebung darf nicht dem Opportunismus der Politinteressen verfallen.