Praxiswissen

Scheinkäufe gelten als verdeckte Fahndung

Jana Hrebik – Rechtsanwältin und Fachanwältin SAV Strafrecht

Welcher Strafverteidiger kennt nicht zumindest einen Fall, bei welchem gegen einen Beschuldigten wegen eines oder eventuell sogar wegen mehreren Scheinkäufen von weichen Drogen ein Strafverfahren eröffnet wurde?

In solchen Fällen kann es sich durchaus als lohnenswert herausstellen, dem Mandanten zu raten, von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch zu machen. Dies, weil die Gefahr, wegen kleineren Mengen von sogenannten weichen Drogen in Untersuchungshaft zu kommen – zufolge Unverhältnismässigkeitsprinzips – in der Praxis eher gering ist. Insbesondere da gemäss Rechtsprechung bei Marihuana mengenmässig in solchen Fällen kein schwerer Fall vorliegt. Zudem hat der Beschuldigte aufgrund rein praktischer Aspekte grosse Chancen, in einem solchen Verfahren straffrei davonzukommen. Gemäss Art. 298a Abs. 2 StPO geht der Gesetzgeber dem Grundsatz nach davon aus, dass verdeckte Fahnder ihre wahre Identität und Funktion im Verfahren – wie auch bei Zeugeneinvernahmen – preisgeben müssen. Nur wenn anzunehmen ist, dass ein Zeuge sich durch die Mitwirkung im Verfahren einer erheblichen Gefahr aussetzt, trifft die Verfahrensleitung die geeigneten Schutzmassnahmen (Art. 149 Abs. 1 StPO) wie namentlich die Zusicherung der Anonymität (Art. 149 Abs. 2 lit. a StPO). Wenn das Gesetz beim verdeckten Fahnder davon ausgeht, dass er seine wahre Identität und Funktion im Verfahren offenzulegen hat, heisst dies auch, dass ein sehr strenger Massstab an die Anforderungen anzulegen ist, wann trotzdem Anonymität zugesichert werden kann.

Dies ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur bei erheblicher Gefahr für Leib und Leben anzunehmen, weshalb die Zusicherung der Anonymität nur als «ultima ratio» in Betracht kommt (BGE 139 IV 265).

Wenn es sich also beim Beschuldigten nicht um einen vermeintlichen «Schwerverbrecher » handelt, muss somit der Scheinkäufer/verdeckte Fahnder in einer Konfrontationseinvernahme als Zeuge zwingend mit vollen Angaben zu seiner Identität und Funktion aussagen. Für die Polizei ein ineffizientes Unterfangen, da suboptimal. Denn die Polizei hat nicht die Ressourcen, ständig neue verdeckte Fahnder bzw. Scheinkäufer in die Szene zu bringen, und muss daher in solch (eher unbedeutenden) Fällen diese Fahnder «verbrennen». Ist einmal das Gesicht und der Name des verdeckten Fahnders offengelegt, ist er als Scheinkäufer für die Polizei in der «Szene» nicht mehr erneut einsetzbar.

Aufgrund all dieser Überlegungen lohnt es sich allenfalls für den Beschuldigten zu «pokern». Will die Polizei ihren wertvollen Fahnder nicht der Öffentlichkeit/Szene preisgeben, ist der Beschuldigte aus Mangel an Beweisen hinsichtlich seiner angeblichen Drogenverkäufe freizusprechen.