Praxiswissen

Nette Strafverteidiger

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Verteidiger müssen nicht nett sein, um die Interessen ihrer Klienten zu wahren (AppG BS, BES.2014.175 vom 23.4.2015, E. 2). Nett vertreten sie ihre Klienten aber vielleicht erfolgreicher. Geradezu abwegig erscheint der Gedanke, dass man mit einer konfrontativen Verteidigungstaktik eher schaden könnte, jedenfalls nicht. Durch Verteidigung zu schaden, wäre aber nicht nur vertrags-, sondern auch gesetzeswidrig (Art. 128 StPO i. V. m. Art. 12 lit. a BGFA; BGer 2C_652/2014 vom 24.12.2014, E. 3.2), und das ist unter allen Umständen zu verhindern. Aus diesem Grund wagen es Strafverteidiger bisweilen nicht, eine sachlich an sich gut vertretbare, aber für alle Beteiligten mühsam anmutende Taktik zu verfolgen. Sie reden ihren Mandanten – und wohl vor allem auch sich selbst – ein, ein verstimmtes Gericht werde im Zweifel eher zu ihren Ungunsten entscheiden. Es gilt daher, den Gerichten die Aufgabe nicht schwerer zu machen, als sie es sonst schon ist. Diesem Ziel dienen beispielsweise Geständnisse oder der konsequente Verzicht auf Beweisanträge. Auch Fristerstreckungsgesuche oder gar Beschwerden sind zu unterlassen. Verfahrensanträge und Ergänzungsfragen vergiften das Verhandlungsklima. Nette Strafverteidigerinnen schliessen sich – am liebsten im abgekürzten Verfahren – der Anklagethese an und plädieren auf eine angemessene Strafe. Sie verzichten auf mündliche Urteilsverkündung und achten darauf, ihre Kostennote schlank zu halten. Das höchste der Gefühle ist erreicht, wenn das Urteil den Anträgen der Verteidigung entspricht.

Es soll gar nicht in Abrede gestellt werden, dass eine nach aussen konsensual oder eben nett geführte Verteidigung im konkreten Einzelfall durchaus die beste Option für die Klientin sein kann. Es stellt sich aber die Frage, ob die Art der Mandatsführung an sich tatsächlich geeignet ist, das Urteil zu beeinflussen. Die meisten, vermutlich vor allem die netten Verteidiger sind fest davon überzeugt. Richterinnen verweisen dagegen auf ihre Professionalität und ihre berufsethischen Standards, die ihnen verbieten, beschuldigte Personen danach zu beurteilen, wie mühsam oder wie angenehm ihre Verteidigung empfunden wurde. Wenn die Richterinnen damit recht haben – und darin sind sie bekanntlich hochspezialisiert – dann wird die Verteidigung bedenkenlos alles tun können und tun müssen, was nach sorgfältiger Prüfung und Absprache mit der Klientschaft als sachlich geboten erscheint. Ob sie damit das Gericht oder die anderen Prozessbeteiligten belastet oder verärgert, spielt keine Rolle. Nett sein muss als Verteidiger nur, wer davon ausgeht, vor unprofessionellen Richtern zu prozessieren.