Praxiswissen

Mutlos unterwegs

Ueli Vogel-Etienne – Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Strafrecht

Nein, eine Mediation hat nichts mit Meditation zu tun und die Restaurative Justice nichts mit einer Restaurierung der Gerichte. Immer noch zu viele Juristen wissen zu wenig über alternative Konfliktlösungen. Sie halten die Konfrontation für den besten Weg zur Befriedung von Rechtsstreitigkeiten.

Dabei hat alles vor mehr als zehn Jahren recht erfolgversprechend begonnen: Bereits im Jahr 2008 erliess die Europäische Union eine Richtlinie (2008/52/EG) über die Mediation in Zivil- und Handelssachen. Diese Richtlinie muss von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Obwohl nicht EU-Mitglied, liess sich die Schweiz vom europäischen Pioniergeist motivieren und sah die Aufnahme von Mediationsbestimmungen in die neuen Zivil- und Strafprozessordnungen vor, die Anfang 2011 in Kraft traten. Doch es blieb beim guten Vorsatz, denn das Parlament kippte die Strafmediation rasch wieder aus dem Gesetzentwurf. Nur in die Jugendstrafprozessordnung hat die Strafmediation bisher Eingang gefunden.

Seit der Frühjahrssession 2021 des Schweizer Parlaments besteht neuer Grund zur Hoffnung: Der Nationalrat will nämlich mit grossem Mehr die Strafmediation in einem neuen Artikel 316a in der Strafprozessordnung verankern. Kritische Stimmen dazu sind bereits viele aufgetaucht.

Natürlich: Banküberfälle kann die Strafjustiz nicht ohne weiteres medieren. Allerdings sind die jährlichen Banküberfälle in der Schweiz an einer Hand abzuzählen, während die Staatsanwaltschaften jeden Monat eine fünfstellige Zahl von Strafbefehlen für weniger schwerwiegende Straftaten ausfällen. Jedenfalls eignen sich geringfügigere Delikte, in denen sich Täter und Geschädigte/Opfer gegenüberstehen, gut für eine Strafmediation. Diese entlastet nicht nur die Justiz, sondern fördert den Dialog zwischen den Beteiligten und gibt den Tätern und den Opfern eine zentrale Rolle in der Konfliktbewältigung.

Im Entscheid 6B_1410/2019 behandelte das Bundesgericht einen Fall, in welchem sich zwei jugendliche Täter für ein Sexualdelikt verantworten mussten. Im Laufe der Strafuntersuchung ordnete der zuständige Jugendrichter eine Mediation zwischen den Tätern und dem Opfer an, die nur mit einem der beiden Täter erfolgreich verlief. Die erfolgreiche Mediation führte zur Einstellung des Strafverfahrens, die gescheiterte Mediation zur Bestrafung des Mittäters. Fazit: Die Strafmediation begünstigt nicht einfach eine «Kuscheljustiz», aber sie öffnet neue Wege zu einer nachhaltigen Gerechtigkeit.