Praxiswissen

Kein wirksamer Rechtsschutz gegen DNA-Profile

André Kuhn – Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Strafrecht

Die forensische DNA-Analyse erfolgt durch die Abnahme einer DNA-Probe und danach durch die Erstellung eines DNA-Profils. Beim ersten Kontakt mit dem Klienten sind polizeilich angeordnete, nicht invasive DNA-Proben oft bereits erfolgt. Die Erstellung eines DNA-Profils bedarf hingegen der Anordnung durch die Staatsanwaltschaft.1

Die Staatsanwaltschaft schickt ihre Verfügung nicht nur an die Verteidigung, sondern zeitgleich an das Analyselabor (zusammen mit der DNA-Probe). Das Analyselabor erstellt «in der Regel unverzüglich»2 ein DNA-Profil und trägt es in die nationale DNA-Profil-Datenbank CODIS ein. Durch diesen Eintrag erfolgt automatisch der Abgleich mit den gespeicherten DNA-Daten. Allfällige Treffer werden an das Labor zurückgemeldet, welches die Resultate analysiert und der Staatsanwaltschaft Bericht erstattet.

Gegen die Anordnung eines DNA-Profils kann die beschuldigte Person Beschwerde erheben, doch kommt dieser grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu.3 Stellt die Verteidigung einen Antrag auf aufschiebende Wirkung, hat das Analyselabor das DNA-Profil regelmässig bereits erstellt und im CODIS eingetragen. Dies wird von der Beschwerdeinstanz telefonisch abgeklärt.4 Ist der CODIS-Eintrag bereits erfolgt, wird die aufschiebende Wirkung gemäss der Praxis des Zürcher Obergerichts abgelehnt.5 Doch selbst wenn die aufschiebende Wirkung ohne Rückfrage beim Labor gewährt und dieses angewiesen wird, mit der Profilerstellung noch zuzuwarten, bleiben entsprechende Anordnungen oft wirkungslos. Denn die Labore machen sich nach Erhalt der Verfügung der Staatsanwaltschaft umgehend an die Arbeit. Eintrag und Abgleich des erstellten DNA-Profils im CODIS sind daher in vielen Fällen bereits erfolgt, wenn das Rechtsmittel die Beschwerdeinstanz erreicht.

Dem Betroffenen fehlt es somit regelmässig an einem wirksamen Rechtsmittel, das einen vorschnellen Abgleich seiner DNA mit der Datenbank verhindert. Er muss sogar damit rechnen, dass die Staatsanwaltschaft allfällige Treffer in das Beschwerdeverfahren einbringt und dieses entsprechend beeinflusst. Selbst bei Gutheissung der Beschwerde dürften die Strafverfolgungsbehörden darauf pochen, bereits erhaltene DNA-Treffer in Anwendung von Artikel 141 Absatz 2 StPO zu verwerten.

De lege lata empfiehlt sich für Beschuldigte die Verweigerung der nicht invasiven DNA-Probe. Ist eine Probe erfolgt, kann von der Staatsanwaltschaft proaktiv verlangt werden, ihre Verfügung erst nach Rechtskraft dem Analyselabor zuzustellen. Gegen die Anordnung eines DNA-Profils muss die Verteidigung unverzüglich aufschiebende Wirkung beantragen. De lege ferenda ist ein in jedem Fall wirksamer Rechtsschutz zu fordern.

1 BGE 141 IV 87, E. 1.3.2 und 1.4.2.
2 Obergericht Zürich, 3. Strafkammer, Verfügung UH220340 vom 18.10.2022.
3 Vgl. Art. 387 StPO.
4 Obergericht Zürich, a.a.O.
5 Obergericht Zürich, a.a.O., offenbar noch anders im Beschluss des Obergerichts Zürich UH190307 vom 3.4.2020.