Praxiswissen

Die Beschaffung von E-Mails beim Provider im Strafverfahren

Andreas Dudli – Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Strafrecht

Als Sonderermittler Peter Marti in der Berset-Affäre vom Provider den E-Mail-Verkehr von Peter Lauener verlangte, rückte die Problematik erstmals einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein. Pikant war, dass der Provider sogar noch weit mehr E-Mails an die Staatsanwaltschaft lieferte als verlangt.

Aus den Medien war zu vernehmen, dass dies für Provider der «Courant normal» sei. Sie filtern die von der Staatsanwaltschaft verlangten E-Mails der Kunden nie nach Datum. Den Behörden würde standardmässig stets der ganze Datensatz übermittelt, konnte man erfahren.

Nach geltendem Recht hat nur der Provider das Recht, die zu übermittelnden Daten zu siegeln. Die Staatsanwaltschaft kann die Daten erst einsehen, wenn der Zwangsmassnahmenrichter die Zustimmung dafür erteilt hat.

Dies wird in der Praxis aber nie gemacht, da die Provider keine Siegelung verlangen. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Der Aufwand seitens der Provider und das latente Kostenrisiko könnten eine Rolle spielen. Allenfalls ist es auch Unwissen.

Dieser Umstand ist stossend. Ein E-Mail-Verkehr enthält oft persönlichen und von Geschäftsgeheimnis geschützten Inhalt. Wenn nun den Behörden auf entsprechende Editionsverfügung hin alles geliefert wird und sogar nicht einmal auf den verlangten Zeitpunkt beschränkt, so wird der Provider zur fast grenzenlosen Quelle von Informationen.

Die Strafverfolgungsbehörden kommen so einfach und ohne richterliche Kontrolle zu einer breiten Informationsfülle. Dieser Umstand ist im Vergleich zu anderen Mitteln der Beweissicherung ein Unikat. Werden Beweise mittels Fernmeldekontrolle des Telefons (Echtzeitüberwachung) gesichert, muss der Zwangsmassnahmenrichter dies vorgängig genehmigen.

Werden Datenträger bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt (die zum Beispiel auch den E-Mail-Verkehr enthalten können), dann hat die beschuldigte Person Kenntnis davon und kann die Siegelung der Datenträger verlangen. Über die Freigabe oder Nichtfreigabe entscheidet dann der Zwangsmassnahmenrichter. Dieser Prozess ermöglicht es ausserdem, Geschäftsgeheimnisse auszusondern.

Diese Ungleichbehandlung gegenüber anderen Mitteln der Beweissammlung ist dermassen eklatant, dass der Gesetzgeber einschritt: Eine Revision der Strafprozessordnung korrigiert nun diesen Missstand. Neu muss die Staatsanwaltschaft einer an den Daten berechtigten Person die Sicherstellung der Daten anzeigen, worauf diese innert drei Tagen die Siegelung verlangen darf. Stellt die Staatsanwaltschaft bei einem Provider E-Mails sicher, so muss sie neu auch den Kontoinhaber informieren, damit dieser einerseits davon weiss und andererseits ein entsprechendes Gesuch um Siegelung stellen kann.

Der Bundesrat plant, diese Neuerung auf 1. Januar 2024 in Kraft zu setzen.