Praxiswissen

Die «Freiburger StPO» bleibt wohl bestehen

Stephan Schmidli – Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Strafrecht

Art. 225 Abs. 5 StPO verpflichtet die Zwangsmassnahmengerichte, bei einem ausdrücklichen Verzicht auf eine Verhandlung in einem schriftlichen Verfahren aufgrund des Antrages der Staatsanwaltschaft und der Eingaben der beschuldigten Person zu entscheiden. Diesem Gebot glaubte das Freiburger Zwangsmassnahmengericht nachzukommen, indem es den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der Untersuchungshaft binnen weniger Stunden guthiess, ohne sich in irgendeiner Form an die amtliche Verteidigung zu wenden.

Die umgehende Beschwerde gegen ein solches Vorgehen wegen eklatanter Verletzung des rechtlichen Gehörs konterte das Zwangsmassnahmengericht mit der Bemerkung, der Beschuldigte sei ja anlässlich der Hafteröffnung zu den Haftgründen angehört worden und habe ausdrücklich auf seine Anhörung vor dem Zwangsmassnahmengericht verzichtet. Der Anwalt des Beschuldigten beziehe sich auf die Praxis des Berner Zwangsmassnahmengerichts. Im Gegensatz dazu auferlege das Freiburger Zwangsmassnahmengericht dem Beschuldigten eine Frist von wenigen Stunden, sich schriftlich zu äussern, aber nur auf ausdrücklichen Antrag an die Staatsanwaltschaft oder das Zwangsmassnahmengericht hin. Das Kantonsgericht Freiburg segnete diese Ansicht ab. Es könne offengelassen werden, ob ein Entscheid ohne Anhörung der beschuldigten Person durch das Zwangsmassnahmengericht das rechtliche Gehör verletze: Der Beschuldigte habe sich vor dem Haftantrag auch zum Tatverdacht und den Haftgründen äussern können. Somit habe das Gericht auch konkret gestützt auf das Vorbringen des Beschuldigten entschieden. Zudem könne der Mangel des fehlenden rechtlichen Gehörs oberinstanzlich, bei voller Kognition, geheilt werden, wenn auch nur ausnahmsweise, aber eben im konkreten Fall schon, da sich der Beschuldigte schon geäussert habe und die Haftgründe im Beschwerdeverfahren nicht bestritten worden seien. So sei die Verletzung nur rein formeller Natur gewesen, weshalb eine Haftentlassung sowieso nicht in Frage käme. Es wies die Beschwerde kostenfällig ab.

Das Bundesgericht korrigierte diese Ansicht letztlich, allerdings milde. Die Kritik der systematischen Verletzung des rechtlichen Gehörs verbunden mit der permanenten Verletzung der Beschleunigungsvorschriften in Haftsachen, was eine Heilung doppelt ausschliesse, wollte es nicht hören. Es stellte fest, das Zwangsmassnahmengericht habe zwar das rechtliche Gehör verletzt, dies sei aber oberinstanzlich geheilt worden, weshalb auch die Haftbelassung rechtens sei. Einzig die oberinstanzliche Kostenauflage sei fälschlicherweise erfolgt, weshalb es die Beschwerde in Strafsachen nur teilweise guthiess (BGer 1B_532/2018). Die «Freiburger StPO» wird uns also höchstwahrscheinlich noch weiter erhalten bleiben.