Praxiswissen

Die Aussageverweigerung als Verteidigungsstrategie

Franco Faoro – Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Strafrecht

Mit Fug und Recht wird die Meinung vertreten, dass die Verweigerung der Aussage zumindest zu Beginn eines Strafprozesses der einzig vernünftige juristische Ratschlag ist, den man als Strafverteidiger geben kann. Zu gross ist das Risiko einer unbedachten Äusserung. Daran ist zumindest so lange festzuhalten, wie die Polizei oder die Staatsanwaltschaft über einen Informationsvorsprung verfügen, mithin die Grundlagen noch unklar sind, die zur Aufnahme von Ermittlungshandlungen bzw. zur Eröffnung einer Strafuntersuchung geführt haben.

Erfahrungsgemäss berufen sich nur wenige angeschuldigte Personen auf die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern. Zu wenig scheint sie kulturell verankert zu sein. Kommt dazu, dass auch unter Strafrechtlern die Einigkeit zu bröckeln beginnt, wenn es um eine Situation geht, in welcher sich ein Angeschuldigter leicht entlasten kann.

Spätestens wenn eine Aussageverweigerung das Risiko einer strafprozessualen Zwangsmassnahme erhöht, kommt es im Interesse der angeschuldigten Person vielfach zu einer Anpassung der Strategie. Ähnlich präsentiert sich die Situation in anderen Fallkonstellationen, in welchen sich ein Widerspruch geradezu aufdrängt (bspw. Vier-Augen-Delikte).

Solche Anpassungen neigen freilich dazu, das Aussageverweigerungsrecht selbst zu untergraben. Wenn sich eine Person gegen die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe nicht zu äussern braucht, das dann aber tut, wenn Argumente zur Entlastung vorliegen, geht mit dem Mittel der Aussageverweigerung automatisch die Vermutung einher, dass keine schlagenden entlastenden Argumente angeführt werden können.

Das führt unweigerlich dazu, dass die Aussageverweigerung negativ konnotiert und als Mittel der Schadenbegrenzung wahrgenommen wird. So gesehen erstaunt es nicht, dass die Öffentlichkeit vielfach wenig Verständnis aufbringt, wenn eine angeschuldigte Person die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe in keiner Weise pariert.

Diese Ausgangslage lässt für den Beginn eines Strafverfahrens in der Tat nur einen Schluss zu: Zur Stärkung der Beschuldigtenrechte müsste die Aussageverweigerung als wertungsfreie Selbstverständlichkeit betrachtet und von allen beschuldigten Personen möglichst konsequent angewendet werden – zumindest einmal so lange, wie das Fundament der Vorwürfe unklar bleibt. Es obliegt mithin den angeschuldigten Personen selbst, ihre Chancen für einen erfolgreichen Prozess zu erhöhen.