Praxiswissen

La défense continue

Alain Joset – Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Strafrecht

Die Strafverteidiger in der Schweiz wollen sich – nicht zuletzt auch zur Verteidigung und Erhaltung der verbleibenden rechtsstaatlichen Errungenschaften in der schweizerischen Strafjustiz – vermehrt Gehör verschaffen. Mit der Gründung des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Strafverteidigung haben die Fachanwälte SAV Strafrecht eine längst fällige Plattform ins Leben gerufen, um der – mal offenen, mal versteckten – Marginalisierung der Verteidigung entgegenzuwirken. Die Strafverteidigung in der Schweiz erhebt ab sofort (auch) in diesem Forum ihre Stimme und wird sich damit vermehrt aktiv in verschiedene aktuelle Diskussionen einmischen.

An dieser Stelle werden verschiedene Mitglieder des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Strafverteidigung regelmässig Strafprozesse, Urteile, Gesetzgebungsprojekte oder Entwicklungen im Straf- und Strafprozessrecht kommentieren.

Es kann nicht genug betont werden, dass jede beschuldigte Person das Recht auf eine effektive und wirksame Strafverteidigung hat, die ihre Stellung als Subjekt im Strafverfahren gewährleistet. Jeder Verteidiger hat seinen Mandanten zu unterstützen und dessen Rechte und Interessen bestmöglichst wahrzunehmen. Er hat ihn vor Rechtsverlusten zu schützen, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung abzusichern. Strafjustiz ist staatliche Machtausübung und Strafverteidigung ist Kampf und ein Schutzschild des Bürgers vor dieser Macht.

Mit den Rechten eines Angeklagten – schreibt Ferdinand von Schirach – verhält es sich wie mit einer Freundschaft. Sie taugt nichts, wenn sie sich nicht auch und gerade in den dunklen, schwierigen Tagen bewährt. Dabei pochen wir Verteidiger vor allem auch auf die Strenge der Strafprozessordnung – sie ist immer noch das Beste, was wir haben, um die Schuld eines Menschen zu beurteilen. Ein (Straf-) Verfahren, in welchem die «prozessuale Wahrheit» durch die verschiedenen Akteure konstruiert wird, taugt wenig, wenn die Regeln von den Beteiligten nicht präzise eingehalten werden. Die Wahrheit jedes Verfahrens – so von Schirach – ist nur eine Theorie über die Wirklichkeit.

Der Verteidiger ist und agiert unabhängig. Er gestaltet die Verteidigung im Einvernehmen mit seinem Mandanten frei, selbstbestimmt und unreglementiert, soweit die allgemeinen Gesetze und das Berufsrecht ihn nicht besonders verpflichten. Dabei umfasst der Freiraum der Verteidigung alle Massnahmen, die der Verteidiger zur Abwehr der gegen seinen Mandanten erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe und zur sonstigen Wahrnehmung von dessen Interessen durchführt, veranlasst oder geschehen lässt. Die Verteidigung ist um Fairness bemüht, sie ist Garantin für die Gesetzmässigkeit des Verfahrens und Kritikerin der Strafuntersuchung und des Anklagevorwurfs.

Verlassen wir also die Defensive – gefordert sind je länger je mehr aktive Verteidigungen durch engagierte, selbstbewusste und mutige Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger.